Warum gibt es nur 21 Millionen Bitcoin?

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Die Art und Weise, wie neue Bitcoin kreiert werden sowie die strikt begrenzte maximale Anzahl Coins, welche je existieren werden sind essentielle Eigenschaften von Bitcoin.

Dadurch unterscheidet sich Bitcoin von FIAT-Währungen und wird daher manchmal und etwas salopp als digitales Gold bezeichnet. Wie Gold werden auch Bitcoin unter Aufwand von Energie gefunden (mined), während FIAT-Geld ohne Aufwand aus dem Nichts, d.h. per Tastendruck, geschaffen wird.

In diesem Artikel gehen wir in vier Teilen der Frage nach, warum denn so eine Eigenschaft als unveränderlich angeschaut wird, wo es sich bei Bitcoin doch um Software handelt, die immer wieder Änderungen erfährt1.

Der Artikel ist relativ lang und ausführlich. Auch wenn Du nicht alles lesen magst, so wirst Du erkennen, dass es praktisch ausgeschlossen ist, dass sich aus Versehen ein dummer Fehler einschleicht, wie das sonst bei vielen Softwareprojekten der Fall ist. Bitcoin ist viel, viel, viel sicherer gebaut als Standard-Projekte.

Wenn Du mit dem Studium durch bist, dann wirst Du wissen, dass Bitcoin entgegen den Einwänden von Ignoranten, einen inneren Wert besitzt.

Artikel-Übersicht

Teil 1 – Konsens unter Bitcoinern

In diesem Abschnitt geht es nicht um den sog. Nakamoto-Konsensus, der entscheidet, welche Bitcoin-Transaktion gültig und welche ungültig ist. Hier wird der Konsens angesprochen, den die Bitcoiner erreichen müssen, damit Änderungen am Bitcoin-Protokoll selber ausgeführt werden können.

Das Verfahren, nachdem sich die Welt auf eine Änderung am Bitcoin-Protokoll einigt, unterliegt selber laufenden Anpassungen und entwickelt sich durch die Nutzung weiter, ohne dass eine zentrale Autorität Vorgaben macht oder Ratifikationen vornimmt.

Diese Evolution durch Nutzung ist vergleichbar mit der Weiterentwicklung der Sprache2. Dies ist kein Zufall, denn Computer-Code ist Sprache, es handelt sich in beiden Fällen um ein und dasselbe Phänomen.

Wie werden nun also Änderungen besprochen? Ich möchte das anhand des Verbesserungsvorschlags BIP-1193 (engl. Bitcoin Improvement Proposal) illustrieren. Es wird darin vorgeschlagen, dass man im Vornherein festlegen kann, wie Coins ausgegeben werden können.

Zum Beispiel, dass die Coins, wenn Marius signiert, nur an eine vorbestimmte Adresse verschickt werden können, wenn jedoch Marius und Ivan signieren, die Coins überallhin geschickt werden können. Oder man kann festlegen, dass vor Ablauf einer vorgegebenen Frist, die Coins nur auf eine vorbestimmte Adresse überwiesen werden können, danach aber überall hin, etc. Mit diesen Werkzeugen kann man Bitcoin besser gegen Verlust durch Diebstahl schützen und auch die Vererbung wird technisch einfacher.

Vorgeschlagen wird die Erweiterung der Bitcoin Skript-Sprache um den Befehl OP_CTV:

  • 2019: Veröffentlichung von BIP-119 durch Jeremy Rubin
  • 2020-2021: Code-Implementierung und Softwaretests
  • 2022: (fehlgeschlagener) Aktivierungsversuch mit Speedy Trial
  • 2023-heute: laufende Diskussionen an Tagungen, in Podcasts4, auf X

An diesem Beispiel kann man erkennen, wie aufwändig es geworden ist, Änderungen am Protokoll zu erwirken. Jameson Lopp hat in diesem super coolen Interview (ab Minute 31, in E) eindrücklich erklärt, wo heute Bitcoin steht, und warum er für BIP-119 ist:

  • spürbare Ossifikations-Tendenzen, da Bitcoin bereits zwei Billionen Dollar sichert, und die Whales lieber keine weiteren Risiken eingehen wollen
  • die Hauptanwendung von Bitcoin ist im Moment die Aufbewahrung relativ grosser Beträge durch relativ wenige (gemessen an der Weltbevölkerung) Personen
  • soll Bitcoin auch in Zukunft für alle frei zugänglich (permissionless) sein, muss sich das Protokoll weiterentwickeln, denn heute können maximal ca. 20 bis 50 Millionen Personen via Lightning teilnehmen
  • Personen, die sich für eine Änderung einsetzen müssen ein extrem dickes Fell haben und bereit sein, sich über mehrere Jahre konsequent für die Änderung einzusetzen.

Die Diskussionen weiten sich schnell von technischen auf finanzielle, staatspolitische, bürgerrechtliche, philosophische und ethische Themen aus.

Teil 2 – Änderungen am Bitcoin Protokoll

Wie würde konkret eine Erhöhung auf 22 Millionen im Bitcoin-Protokoll ablaufen?

  1. Als erstes müsste man ein BIP schreiben und veröffentlichen. Das kann jeder, man braucht keine speziellen Berechtigungen, muss sich jedoch an das BIP-Format halten.
  2. Als nächstes muss man das neue BIP in der Bitcoin Entwickler-Gemeinde bekannt machen (Bitcoin mailing list, IRC, Telegram-Gruppen, Podcasts, Tagungen). Stösst man auf positives Echo, dann beginnen die Entwickler das BIP zu begutachten und zu kommentieren.
  3. Sind die Rückmeldungen darauf erfolgsversprechend (oder auch sonst) wird nun erst die Änderung programmiert und als Vorschlag (pull request) im Bitcoin code repository (GitHub) eingestellt. Dieses wird von einem BIP Editor formal geprüft.
  4. Damit der Prozess weitergeht, muss nun ein grossmehrheitlicher Konsensus in der gesamten Community (Entwickler, Miner, Börsen, Händler, Node-Betreiber, User, Investoren, etc.) gefunden werden.
  5. Hat das Proposal alles erfolgreich überstanden beginnt die Aktivierungsphase, für die in der Vergangenheit verschiedene Verfahren angewendet wurden. Dieser Prozess sieht vor, dass Miner und Full-Node-Betreiber die neue Software installieren. Die Änderung ist danach idealerweise auf den meisten Rechnern installiert aber noch nicht aktiv. Die Änderung wird nun aktiviert, falls in einem definierten Zeitabschnitt ein gewisser Prozentsatz von Blöcken Bereitschaft signalisiert, die Änderung durchzuführen (z.B. 95% aller Blöcke innerhalb eines 2-Wochen-Zeitabschnitts signalisieren Bereitschaft).

Teil 3 – Der Code der 21 Millionen

Wie genau sieht nun der Code aus, der sicherstellt, dass nicht mehr als 21 Millionen Bitcoins ausgegeben werden?

Die Funktion GetBlockSubsidy entscheidet darüber, wie viele Coins maximal pro Block neu kreiert werden:

CAmount GetBlockSubsidy(int nHeight, const Consensus::Params& consensusParams)
{
    int halvings = nHeight / consensusParams.nSubsidyHalvingInterval;
    // Force block reward to zero when right shift is undefined.
    if (halvings >= 64)
        return 0;

    CAmount nSubsidy = 50 * COIN;
    // Subsidy is cut in half every 210,000 blocks which will occur approximately every 4 years.
    nSubsidy >>= halvings;
    return nSubsidy;
}

Der entscheidende Input für obige Formel ist nSubsidyHalvingInterval: damit sind die Anzahl Blöcke gemeint, nach denen jeweils ein Halving stattfindet.

consensus.nSubsidyHalvingInterval = 210000;

Die Anzahl Bitcoins, die jemals ausgegeben werden entspricht folgender Formel und konvergiert gegen 21 Millionen:

Formel zur Berechnung der maximalen Anzahl Bitcoin
Summe der unendlichen geometrischen Reihe der Bitcoin-Ausgabe

Aufgrund von Rundungen auf ganze Satoshis wird sich die genaue Anzahl ausgegebener Bitcoin dereinst auf 20,999,999.9769 BTC belaufen.

Um nun künftig mehr Bitcoins zu generieren, müsste man ein BIP schreiben, das vorschlägt, entweder die Zahl 50 oder die Zahl 210’000 zu erhöhen. Danach müsste man die oben beschriebenen Phasen durchlaufen.

Da kein Bitcoiner seine Bitcoin verwässert haben möchte, sind die Chancen auf Erfolg bei diesem BIP nahezu null :-(.

Teil 4 – Verlorene und vernichtete Bitcoin

Die Anzahl Bitcoin wird also 21 Millionen nicht erreichen. In der Praxis ist es sogar so dass die Anzahl weit darunter liegen wird. So können z. B. die ersten 50 BTC des Genesis-Blocks nie ausgegeben werden können.

Des weiteren gibt es BTC, die nachweislich verbrannt wurden, also an eine Adresse geschickt wurden, für die es höchstwahrscheinlich keinen privaten Schlüssel gibt, beispielsweise die Adresse 1BitcoinEaterAddressDontSendf59kuE.

Ausserdem sein hier noch die vielen verlorenen Wallet-Dateien, Passphrases, PINs, etc. erwähnt. Die wohl bekanntesten sind James Howells (entsorgte Harddisk mit 8’000 BTC) und Stefan Thomas (Passwort vergessen und nur noch zwei Versuche auf seinem IronKey USB Stick mit 7’002 BTC).

Satoshis schlafende Bitcoin

Satoshi hat an die eine Million Bitcoin gefunden, wovon er bisher nur zehn ausgegeben hat. Und zwar in der allerersten Bitcoin Transaktion, die er an die Adresse von Hal Finney schickte und die in Block 170 verewigt wurde.

  1. Der Artikel behandelt nicht, warum Satoshi die Gesamtmenge auf 21 Millionen Bitcoin (oder exakter: 2.1 Billiarden Satoshi) festgelegt hat. ↩︎
  2. Während frühere Generationen Wörterbücher als Hüter und Verteidiger der „richtigen Sprache“ angesehen haben, ist dies heute nicht mehr der Fall. Die meisten bedeutenden Wörterbücher konzentrieren sich nun auf die Beschreibung der Sprache, die von den Menschen gesprochen wird, und lassen dabei ganz bewusst wissenschaftlich-pedantische Einwendungen außer Acht. (Quelle) ↩︎
  3. Hier ist der Link zum BIP-119 Vorschlag, sowie einer Besprechung auf Deutsch. ↩︎
  4. Andrew Poelstra on Covenants (OP_CAT vs OP_CTV) ↩︎

4 Antworten zu «Warum gibt es nur 21 Millionen Bitcoin?»

  1. Avatar von Peter
    Peter

    Wenn Bitcoin vermehrt als normale Währung genutzt wird, wird es vermehrt Schulden in Bitcoin geben. Solange das wenig sind, werden diejenigen, die netto mehr als Null coins besitzen, eine Verwässerung verhindern. Mit steigenden Schulden kann sich das ändern. Oder nicht?

    1. Avatar von Marius
      Marius

      Gute Frage! Wenn jemand Schulden in Bitcoin hat (Schuldner), dann gibt es auf der anderen Seite jemanden der den identischen Betrag als sein Guthaben verbucht (Gläubiger). Letzterer wird nicht wollen, dass es mehr Bitcoins gibt, ersterer schon. Wir erleben gerade das von Dir beschriebene Szenario in der FIAT-Welt. Die Regierungen haben Schulden und möchten diese verwässern, die (ohnmächtigen?) Sparer haben das Geld und haben sich bis vor Kurzen nicht geäusser, wohl auch weil die Zentralbanken, Banken und Finanzministerien den Umstand so gut verschleiert haben. Erst durch die hohe monetäre Inflation (und durch Bitcoin) ist die Diskussion über die Qualität des Geldes wieder entfacht. Im Idealfall entwickelt sich bei der Mehrheit der Leute der Wunsch nach Geld, welches die Kaufraft über Jahrzehnte erhält oder steigert.

      Nehmen wir aber mal an, die Mehrheit (oder die Machthaber) wollen die Anzahl der Bitcoin auf 100 Millionen verfünffachen. Was sind nun ihre Optionen? Sie stellen Entwickler ein, die die Änderung programmieren. Dann machen sie eine Kopie von Bitcoin (die Bitcoiner würde diese Änderungen kaum in Bitcoin selber einbauen) und nennen diesen Coin, der nun mehr und/oder länger Coins ausgibt nun RealBitcoin.

      Wie sollen sie nun die 50 Millionen Bitcoiner davon überzeugen in den neuen Coin zu investieren? Sie müssten einen Zwangsumtausch erwirken wie das FDR 1933 in den USA mit Gold gemacht hat (https://en.wikipedia.org/wiki/Executive_Order_6102). Was hätten sie dann gewonnen? Dann wäre man doch bloss wieder zurück auf Feld 1. Denn wer einmal die Ausgabe ändern wird es wieder tun, RealBitcoin würde nicht mehr Vertrauen bekommen wie heute die FIAT Währungen. Wenn ich das als Machthaber durchziehen wollte, dann würde ich mir die Mühe mit dem neuen Coin, Bitcoin als illegal erklären und Verstösse unter drakonische Strafe stellen.

      Deine Frage ist gut und vielschichtig, weshalb meine Antwort hier viel Platz einnimmt …

      Szenario: Stellen wir uns das Jahr 2100 vor und nehmen wir an, dass zwar viele Leute Bitcoin haben, aber fast alle haben diese auf der Bank und fast niemand hat noch das Know-How, wie man Bitcoin seslber verwaltet.

      In einem Szenario, in dem sich eine Bank sicher sein kann, dass ihre Kunden die technischen und/oder mentalen Fähigkeiten um Geld abzuheben verloren haben, hat sie keinen Bankensturm (bankrun) mehr zu befürchten. Wenn sie also nur noch Bitcoin-ETFs oder Bitcoin-IOUs verkauft, die nicht wissen wie Bitcoin funktioniert, dann kann sie wieder damit anfangen, ungedeckte Schuldscheine auszugeben (fractional reserve banking). Wir wären dann zurück vor der Zeit von Bitcoin.

      Bitcoin wird nur dann Bitcoin bleiben, wenn es viele Leute sind, die wissen, wie man die Bitcoin selber verwaltet. Dies müssen m.E. nicht zwingend einzelne Personen sein, es könnten auch kleine Community-Banken sein. Besser 10 Mio. Kleinbanken ohne Systemrelevanz, als 100 Grossbanken, die alle Dekade oder zwei gerettet werden müssen.

  2. Avatar von Peter
    Peter

    Lieber Marius

    Vielen Dank für Deine
    Ausführungen.
    Zur Zeit beschäftigt mich das
    Thema der Minerkonzentration.
    Da der Miner bei einem gefundenen
    Block die Transaktionen
    hineinschreibt, bestehen bei einer
    solchen Konzentration auch
    „Zensurmöglichkeiten“, sprich der
    Miner (oder die dahinter stehende
    Entität – Staat – Techriese etc.)
    schreibt nur ihm genehme Transaktionen
    in den Block.

    Was meinst Du dazu ?

    1. Avatar von Marius
      Marius

      Lieber Peter,
      ein sehr guter Punkt. Obschon es unvorstellbar ist, wie weit in die Zukunft Satoshi alles geplant und vorausgesehen hat, handelt es sich bei Bitcoin um ein Netzwerk von Menschen und eine Software, die notwendigerweise von Zeit zu Zeit modifiziert werden muss. Das ist z.B. ein Riesenunterschied zu Gold, das sich seit dem Urknall nicht verändert hat. Bitcoin hat bis jetzt bewiesen, dass die Anreize (incentives) stimmen und sich die ökonomisch vernünftigsten Lösungen durchgesetzt haben.

      Du hast völlig Recht: Die Miner-Konzentration ist eine Grösse, die man im Auge behalten und abbauen muss. Jeder Miner kann selber bestimmen, welche Transaktionen er oder sie für den Fall, dass ein Block gefunden wird, aufnehmen oder verwerfen will. Auf Stufe eines einzelnen Miners ist Zensur kein Problem. Die Zensur-Resistenz kommt daher, dass es viele Miner gibt, und man nicht wissen kann, welcher Miner den nächsten Block findet. Wenn wir plötzlich nur noch wenige Miner haben, dann ist das ein Problem.

      Wir müssen zwischen Grinder (Personen, die mit ihren Rechner einem Mining-Pool angeschlossen sind) und Miner (Personen, die die «Templates» bauen, also entscheiden, welche Transaktionen allfällig eingebaut werden) unterscheiden. In der Vergangenheit hatten wir viele unabhängige Grinder und wenige Miner. Mit Stratum V2 wurde eine Software vorgestellt und eingeführt, die es den Grindern erlaubt zu Miner zu werden.

      Wenn Du wissen will, wie schlimm es ist, dann schaue Dir doch diese Episode mit [Matt Corallo](https://www.youtube.com/watch?v=bqaBPALIM6c) an. Matt ist ein Top-Entwickler und wichtiger Schwarzmaler. Ich mache mir nicht sooo viele Sorgen. Nimm an, 95% der Hashrate unterliegt der Zensur und ich möchte eine Transaktion bestätigt haben, die von den 95% abgelehnt wird. Dann zahle ich halt einen höheren Fee, die 5% werden sich freuen, werden dadurch profitabler, können ausbauen, sind dann bald 10%. Oder schau Dir auch mal dieses Interview zu [Ocean Datum](https://youtu.be/LQfAyzfp_kU) an.

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